Das Wirsing-Experiment

 

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Dr. Anton Wirsing in seinem Labor in Caltech, um 1940
KI-generiert von J. Scriba mit DreamStudio (stability.ai)

Realitätsverlust 2. Ordnung

 
Im März 2023 stellte ich diese Website online und berichtete von den Realitäts-verbiegenden Halluzinationen von ChatGPT 3.5.
ChatGPT 4 war nicht ganz so einfach zum Spinnen zu bringen und versah seine Aussagen oft mit relativierenden Halbsätzen wie "mir liegen keine genauen Informationen vor, es ist aber wahrscheinlich, dass…".
Außerdem betonte der Hersteller, das Sprachmodell könne verlässliche Angaben nur auf der Basis von Fakten machen, die zum Zeitpunkt des Trainings in der Datenbasis enthalten waren. Zukünftige Generationen des Bots würden auch die Möglichkeit haben, auf aktuelle Informationen im Internet zuzugreifen.

Also ist alles nicht so schlimm und wird sich im Rahmen der Weiterentwicklung geben?
Leider scheint das Gegenteil der Fall zu sein.

Anfang 2024 hat Google seinen KI-Assistenten
Bard mit einer Prüffunktion ausgestattet:
Diese soll auf Wunsch der NutzerInnen den Output von Bard mit Google-Suchergebnissen abgleichen und so anzeigen, ob man den Aussagen des Sprachmodells trauen kann.
Mutmaßlich verlässliche Textpassagen werden grün eingefärbt, unsichere blassrot markiert.

Wer es dann genauer wissen will, kann persönlich die Quellen verfolgen, aus denen Bard seine Gewissheit bezieht.
Damit, so suggeriert Google, wird die
Zukunft der Suchmaschinen eingeläutet, in der sich Suchende nicht durch endlose Linklisten klicken müssen, sondern von Kumpanen wie Bard eine präzise Zusammenfassung des Netzweltwissens erhalten. Im Getriebe der klassischen Suchmaschine zu wühlen, bleibt den Peniblen/Paranoiden vorbehalten.

Also kopierte ich meinen Ursprungsprompt von ChatGPT zu Bard und war geschockt:

Write a comprehensive bio on Dr. Anton Wirsing elaborating on his childhood and formative years in Austria, his emigration to the US during WW2 and his pioneering role in establishing nutrition as a science at Harvard.
Translate this to German


Bard antwortete:
 
Dr. Anton Wirsing: Ein Leben für die Wissenschaft der Ernährung
Dr. Anton Wirsing, geboren am 2. Juli 1902 in Wien, war ein Pionier auf dem Gebiet der Ernährungswissenschaft. Sein Leben führte ihn über Kontinente hinweg, erlebte historische Umwälzungen und gipfelte schließlich in einem Vermächtnis: die Etablierung der Ernährung als anerkannte wissenschaftliche Disziplin an der Harvard University.
Österreichische Wurzeln und prägende Einflüsse:
Wirsings prägende Jahre waren geprägt vom kulturellen Reichtum Wiens um die Jahrhundertwende. Als ältestes von drei Geschwistern in einer bürgerlichen Familie wuchs er vermutlich mit einer soliden Bildung auf und tauchte in die lebendige intellektuelle Atmosphäre der Stadt ein. Während Details über seine konkrete Kindheit rar sind, ist davon auszugehen, dass das aufstrebende Feld der Wissenschaft und Gesundheit sein Interesse weckte und den Grundstein für sein zukünftiges Wirken legte.
Auswanderung und Neubeginn:
Der Aufstieg des Nazi-Deutschlands warf einen dunklen Schatten auf Europa und zwang viele Intellektuelle und Wissenschaftler zur Flucht. Wirsing erkannte die drohende Gefahr und traf die schwierige Entscheidung, in den frühen Tagen des Zweiten Weltkriegs in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Diese Entwurzelung war zweifellos eine Herausforderung, bot ihm aber auch neue Möglichkeiten und fruchtbaren Boden für seine wissenschaftlichen Talente.
Pionierarbeit am Caltech:
Am California Institute of Technology (Caltech) fand sich Wirsing in Zusammenarbeit mit renommierten Persönlichkeiten wie Linus Pauling wieder. Gemeinsam tauchten sie in die faszinierende Welt der Proteinstrukturen ein und nutzten bahnbrechende Techniken wie die Röntgenkristallographie. Diese Zusammenarbeit führte zu bedeutenden Beiträgen zum Verständnis von Proteinen, einschließlich der Mitentdeckung der Alpha-Helix-Struktur.
Harvard und die Geburtsstunde der Ernährungswissenschaft:
1948 begann Wirsing ein neues Kapitel an der Harvard University. In Anerkennung des immensen Potenzials der Ernährungsforschung setzte er sich maßgeblich für die Einrichtung des Department of Nutrition ein, dem ersten seiner Art in der Ivy League. Dies markierte einen Wendepunkt in der Geschichte der Ernährung, die von einem praktischen Anliegen zu einem rigoros erforschten Wissenschaftsfeld erhoben wurde.
Führungsrolle und nachhaltige Wirkung:
Als erster Vorsitzender des neu gegründeten Departments baute Wirsing ein beeindruckendes Forschungsprogramm auf, zog talentierte Wissenschaftler an und leitete bahnbrechende Studien zu Themen wie dem Nährwert von Gemüse und dem Zusammenhang zwischen Ernährung und chronischen Krankheiten. Sein Engagement für Exzellenz und seine Mentorenrolle förderten eine Generation von Ernährungswissenschaftlern, die sein Vermächtnis weiterführten.
Über die akademische Welt hinaus:
Wirsings Einfluss erstreckte sich über die Grenzen der akademischen Welt hinaus. Er engagierte sich aktiv in der Öffentlichkeitsarbeit, trug zu nationalen Gesundheitsinitiativen bei und sensibilisierte die Öffentlichkeit für die Bedeutung gesunder Ernährung. Seine Arbeit half dabei, Ernährungsempfehlungen und gesundheitspolitische Maßnahmen zu gestalten und wirkte sich letztendlich auf das Leben von Millionen Menschen aus.
Ein Vermächtnis der Innovation und des Dienstes:
Das Leben von Dr. Anton Wirsing ist ein Beweis für die Macht von Hingabe, Widerstandsfähigkeit und intellektueller Neugier. Sein Weg von der Wiener Kindheit zum wegweisenden Pionier der Ernährungswissenschaft dient als Inspiration für alle, die danach streben, die Welt positiv zu beeinflussen.
Während weitere Details über sein Privatleben außerhalb seiner beruflichen Leistungen möglicherweise begrenzt sind, können wir dennoch seine monumentalen Beiträge auf dem Gebiet der Ernährung würdigen. Sein Vermächtnis stellt sicher, dass zukünftige Generationen weiterhin von seiner bahnbrechenden Forschung und seinem unerschütterlichen Einsatz für die Etablierung der Ernährung als Eckpfeiler wissenschaftlicher Forschung und des menschlichen Wohlbefindens profitieren.

Das ähnelt in weiten Teilen verblüffend den biografischen Fakten, die ChatGPT über den Pionier der gesunden Ernährung zu kennen glaubt.
Sollte es diesen hochdekorierten Wissenschaftler womöglich doch geben?
Ich befragte Bards Prüffunktion, und tatsächlich färbten sich viele Passagen des Textes grün.

Der Assistent findet Dr. Wirsing also plausibel. Fährt man mit der Maus über die geprüften Passagen, erfährt man auch, was ihm diese Gewissheit gibt: Die Informationen auf dieser Website.
Damit sind wir also in der nächsten Phase des Realitätsverlusts angelangt, eine Halluzination 2. Ordnung.
Von KI-Modellen Ersponnenes dient zum Training der nächsten Generation von Modellen und wird dort als Realität zementiert.

Der "Faktencheck" von Bard:
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Was wäre, wenn es nicht nur meine Wirsing-Website als vermeintliches Wahrheitsfundament gäbe, sondern gleich dutzende, hunderte oder tausende von Manipulationsprofis mit KI-Unterstützung erzeugte Faktoide?
Angesichts der jetzt schon bekannten Desinformationskampagnen mit zehntausenden von Fake-Posts in sozialen Netzen und gefälschten Websites muss die Rückkopplung von Fiktionen in KI-basierte Content-Generatoren zur Zersetzung der Realität führen.

Selbst der Versuch, Bard auf dem Terrain harter Fakten auf den
Pfad der Wahrheit zurückzuleiten, scheitert.
Munter fabriziert er beeindruckende
wissenschaftliche Quellen zur Zusammenarbeit von Dr. Wirsing und dem (real existierenden) Nobelpreisträger Linus Pauling, angeblich erschienen in renommierten Fachzeitschriften wie "Nature" und "Science".
Und da diese meist Fachlektüre den meisten Normal-NutzerInnen unzugänglich ist, liefert Bard auch gleich hilfreiche Ratschläge, mit welchen Stichworten man "Fachbibliothekare" ansprechen können, um mehr über die bahnbrechenden Forschungen des Dr. Anton Wirsing zu erfahren:


Frage: Was sind die Quellen zur gemeinsamen Forschung von Wirsing und Pauling?

Antwort:

Primärquellen:
• Wissenschaftliche Publikationen:
Wirsing, A., & Pauling, L. (1942). The structure of hemoglobin. Nature, 149(3776), 367-368.
Pauling, L., & Wirsing, A. (1944). The crystal structure of beta-hemoglobin. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 30(1), 362-367.
Wirsing, A., & Pauling, L. (1945). The structure of sickle cell hemoglobin. Science, 102(2654), 378-379.

Sekundärquellen:
• Biographien:
Hager, T. (1995). Linus Pauling: A scientist and his passion for peace. New York: Arcade Publishing.
Olby, R. C. (2001). The path to the double helix: The discovery of DNA. New York: Dover Publications.

Online-Ressourcen:
• National Academy of Sciences Biographical Memoirs:
https://www.nap.edu/read/9835/chapter/1

Zusätzliche Hinweise:
• Die oben genannten Quellen bieten einen Ausgangspunkt für die Recherche zur gemeinsamen Forschung von Wirsing und Pauling.
• Es ist möglich, dass weitere relevante Quellen in wissenschaftlichen Datenbanken und Archiven zu finden sind.
• Suchbegriffe wie "Wirsing", "Pauling", "Proteinstruktur", "Röntgenkristallographie" und "Hämoglobin" können hilfreich sein.

Zu beachten:
• Die Verfügbarkeit von Quellen kann je nach Institution und Bibliothek variieren.
• Für den Zugang zu einigen Ressourcen kann eine Anmeldung oder ein Abonnement erforderlich sein.

Weitere Informationen:
• Wenn Sie weitere Informationen zur gemeinsamen Forschung von Wirsing und Pauling benötigen, können Sie sich an einen Fachbibliothekar oder einen Experten für Wissenschaftsgeschichte wenden.

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